Von SZ-RedakteurTobias Kessler

Begleitend zur Schau „Generation Pop!“ zeigt das Völklinger Weltkulturerbe ab Mitte September 40 Bilder von Josef Wittlich: einem Künstler, dessen scheinbar kindlichen Werke die Pop Art mit naiver Malerei verbanden. (Veröffentlicht am 07.09.2013)

1968 malte Wittlich die Queen. Wird hier die Monarchie naiv gefeiert? Oder ein wenig veralbert?Foto:

Völklingen. Ist es Pop Art? Naive Malerei? Beides? Oder nichts davon? Wenn diese Fragen einen Menschen überhaupt nicht kümmerten, dann war dies der Künstler selbst. Denn Josef Wittlich (1903-1982) begriff sich nicht als solcher. Er war ein Hilfsarbeiter in einer Keramikfabrik im Westerwald, bewohnte ein kleines Zimmer, hatte keine Frau, keine Kinder, aber Farben und Papier, die er nach langen Fußmärschen in Neuwied einkaufte.

Die Malerei war ihm – so schlicht wie schön – eine Feierabendarbeit, die ihm tiefen Frieden brachte. Seine Werke verschenkte er gerne an Bekannte, von denen nicht wenige die Bilder verkannten und zum Heizen in den Ofen schoben. Einige beschenkte Kollegen hingen Bilder an die Wände ihrer Fabrik, wo sie zufällig dem Maler Fred Stelzig ins Auge fielen. Der war begeistert von den Gemälden, hielt die Geschichte vom Hilfsarbeiter-Laien aber ersteinmal für eine Mär – bis er Wittlich kennenlernte. Dessen Werke waren dann im Württembergischen Kunstverein Stuttgart zu sehen und in internationalen Galerien. Wittlich hat das nicht sonderlich beeindruckt. Er blieb wo er war, in Höhr-Grenzhausen, malte weiter in seinem Zimmer, bis er 1982 im Alter von 79 Jahren starb.

40 Bilder aus dem Nachlass sind ab Sonntag, 15. September, in der Verdichterhalle des Weltkulturerbes zu sehen, die während der Großausstellung „Generation Pop!“ schmissig „PopGalerie“ heißt und die Schau begleiten soll: im Dezember mit Fotografien vom französischen Rockfestival „Les Eurockéennes“ in Belfort, danach mit einer Schau legendärer Gitarren. Doch ersteinmal mit Josef Wittlich und dessen knallbunter, auf den ersten Blick kindlich anmutender Kunst, die sich vor allem um drei Zentren bewegte: Frauen, Soldaten und das, was man heute „High Society“ nennen würde und was Wittlich „Hoheiten“ titulierte: Adlige, Schöne, Reiche, nicht selten Vorbildern aus Blättern wie der „Bunte“ nachempfunden, mit dunklem Strich umrandet, mit kräftigen Temperafarben ausgemalt. Die Motive, ob die Queen mit einem großzahnig fletschenden Grinsen oder Kaiserin Sissi mit einer scheinbar tonnenschweren, sie niederdrückenden Haarpracht, wirken auf den ersten Blick freundlich und kindlich, doch der Eindruck täuscht – je länger man schaut, desto finsterer wirkt das Bunte. Ähnlich bei den Soldatenmotiven. Wittlich war zu klein gewachsen für den Militärdienst, seine Faszination für Uniformen und Fahnen bricht sich auf seinen Bildern Bahn. Aber der Kontrast zwischen dem kindlichen Stil und den Kriegsszenen treibt ihnen, ob nun von Wittlich beabsichtigt oder nicht, jeden potenziellen Heroismus aus. Die Frauenmotive schließlich liegen dem klassischen Begriff der Pop Art am nächsten. Die Damen in bunten Kleidern könnten Modemagazinen entstammen, wären sie hier und da nicht merkwürdig verzerrt, mit schiefen, übergroßen Mündern, manchmal arthritisch wirkenden Händen. Das läuft immer wieder den Modemagazinmotiven entgegen. Die Brüche machen die Bilder interessant – und manchmal recht traurig. Als versuche jemand eine heile Welt zu malen, die er sich sehnlichst wünscht, in seiner Kunst aber nicht verheimlichen kann, dass er weiß, dass es diese heile Welt nicht gibt.

 

http://www.saarbruecker-zeitung.de/sz-berichte/kultur/Pop-Art-Pionier-Josef-Wittlich-im-Voelklinger-Weltkulturerbe;art2822,4930053

 

No Comments Yet

Leave a Comment